Omar im Glück
Es war einmal
… ein wunderschöner Prinz, der lebte im Königreich Tschadkan. Seine Mutter
hatte nach ihm keine weiteren Kinder bekommen können, daher lastete auf ihm
eine schwere Bürde: Die Blutlinie fortzuführen.
So begab es
sich, dass der König eine Feier ausrichtete, auf der sich alle als Ehefrauen
infrage kommenden Prinzessinnen einfanden. Schon eine Woche vor dem Fest
begannen die ersten Gäste anzureisen. Die meisten kamen mit großem Gefolge, so
dass es bald auf der Burg nur so vor Leuten wimmelte.
Besonders
stach Omar, so der Name des Prinzen, eine Delegation aus dem fernen Bulgaschow
ins Auge. Die Männer trugen Turbane, die Frauen Gesichtsschleier zu prächtigen
Gewändern. Die anderen Gäste waren zwar ebenfalls wunderschön gekleidet, doch
weniger exotisch. Außerdem gefiel ihm der Begleiter der Prinzessin sehr gut,
mit den dunklen Glutaugen und der sanft gebräunten Haut. Der arme Omar
schwärmte nämlich für Männer.
Seine Neigung
musste er jedoch geheim halten. Darauf, andersartig zu sein, stand im
Königreich Tschadkan die Todesstrafe. Omar war daher unerfahren und konnte nur
in der Fantasie seine Gelüste ausleben. Seit der Ankunft des schönen Barisch,
so hieß der Mann, rankten sich seine feuchten Träume um diesen. Das war sein
Schicksal: Sich für alle Zeiten zu verstecken und bloß in der Abgeschiedenheit
seiner Kammer seine wahren Wünsche auszuleben.
Vor dem
Gedanken, selbige mit einer Frau zu teilen, grauste ihm daher besonders. Zudem
hatte er keine Ahnung, wie es mit dem Beischlaf klappen sollte. Schließlich
musste er seine Gattin schwängern. Wie aber, wenn sich beim Anblick einer Frau
bei ihm nichts regte?
Je näher der
Festtag rückte, desto schwermütiger wurde Omar. Nach seiner Eheschließung würde
er zwar in ein prächtiges Schlösschen im Wald ziehen, zwei Tagesritte entfernt,
doch was nützte die gewonnene Freiheit? Immer öfter zog er sich in seine
Gemächer zurück, statt mit seinen Eltern Hof zu halten.
Diese hatten
für die Gäste zahlreiche Veranstaltungen organisieren lassen. Mal gingen die
Männer auf die Jagd, zum Bogenschießen oder anderen Wettkämpfen. Die Frauen
verbrachten unterdessen viel Zeit im Badehaus, wo sich eifrige Dienerinnen um ihr
Wohlbefinden kümmerten.
Am Morgen vor
dem besonderen Tag, an dem der große Ball stattfinden sollte, ließ der König
Omar - der mal wieder Trübsal blies - zu sich rufen.
„Mein Junge“,
sprach der König. „Als Thronfolger musst du stets präsent sein. Das erwartet
das Volk von dir. Ich verlange also, dass du an der heutigen Jagd teilnimmst.“
Omar war das
Töten von Tieren zuwider. Dennoch neigte er gehorsam den Kopf und fügte sich.
So schloss er
sich also dem Trupp der Jäger an, zu dem auch Barisch gehörte. Es ging in den
nahen Wald, in dem es reichlich Rotwild gab. Barisch ritt an seiner Seite und
versuchte ein paarmal, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, doch Omar blieb
einsilbig. Er war zu traurig, um sich zu unterhalten.
Schon bald
schoss jemand einen Hirsch. Omar ertrug den Anblick des sterbenden Tieres nicht
und hielt sich im Hintergrund. Alle anderen versammelten sich aufgeregt um den
Kadaver, nur Barisch nicht. Der verharrte neben ihm.
„Auf ein Wort“,
bat Barisch leise.
Es wäre
unhöflich gewesen, nicht auf diese Bitte einzugehen. Er folgte also Barisch,
der sein Pferd zu einer nahegelegenen Baumgruppe lenkte. Dort stieg der Mann ab
und sah ihn erwartungsvoll an, so dass er sich ebenfalls von seinem Gaul begab.
„Ich bitte Euch
inständig, meine Schwester zu wählen“, sprach Barisch. „Sie ist ein liebes
Mädchen und wird Euch nicht im Wege sein.“
Darauf wusste
Omar nichts zu erwidern.
„Darf ich auf
Eure Verschwiegenheit hoffen?“, erkundigte sich Barisch.
„Selbstverständlich.“
Barisch sah
sich nach allen Seiten um, beugte sich vor und flüsterte: „Mariane ist in
anderen Umständen. Der Vater des Kindes ähnelt Euch. Es handelt sich um Romeo,
der ebenfalls zur Gefolgschaft gehört. Bitte, nehmt Euch Marianes an. Ich würde
für immer in Eurer Schuld stehen, wenn Ihr sie vor der Schande bewahrt, das
Kind eines nicht Standesgemäßen zu gebären.“
Diese Bitte
war derart ungeheuerlich, dass Omar ein Stück zurückwich. „Ihr wollt mir ein
Kuckuckskind unterschieben?“
„Es wird Euer
Schaden nicht sein“, versprach Barisch. „Dafür gehört mein Leben Euch.“
Unversehens
mit der Erfüllung all seiner Wünsche konfrontiert, blieb Omar dennoch stumm.
Was nützte ihm Barischs erzwungene Nähe? Er wollte geliebt werden, nicht
verehrt.
„Bitte,
überlegt es Euch“, fuhr Barisch eindringlich fort. „Ihr erhaltet einen
Nachfolger und eine fügsame Gattin, dazu meine Ergebenheit.“
„Ich werde
darüber nachsinnen“, versprach Omar und schwang sich wieder aufs Pferd.
In den
nächsten Stunden lenkte ihn Barischs Angebot derart ab, dass er das sinnlose
Metzeln ertrug. Als sie zur Burg zurückkehrten, stand sein Entschluss fest. Was
hatte er schon zu verlieren? Immerhin wäre Barisch, selbst wenn selbiger ihn
belog, zukünftig in seiner Nähe. So bliebe ihm zumindest der Anblick seines
Geliebten.
So begab es
sich, dass er am folgenden Abend Mariane zu seiner Braut erwählte. Der Jubel
unter dem Volk war groß. Die anderen Gäste hingegen waren weniger amüsiert,
ließen sich dadurch aber den Ball nicht vermiesen. Das Fest dauerte bis in die
frühen Morgenstunden und so mancher Betrunkener fand nicht ohne Hilfe ins
eigene Bett.
Am nächsten Nachmittag
führte Omar seine Zukünftige zum Altar. Marianes Eltern weinten bei der
Zeremonie und Barischs dunkle Augen lagen die ganze Zeit auf ihm. Omar vermeinte
zu sehen, dass sie besonders leuchteten.
In dieser
Nacht - seiner Hochzeitsnacht - gestand Mariane ihm unter Tränen, ihr Herz -
und nicht nur das - einem anderen geschenkt zu haben. Sie war wirklich ein gar
liebreizendes Mädchen. Hätte Omar auch nur ein Fünkchen für das schöne
Geschlecht über, wäre ihr seine Liebe zugeflogen. Sie kamen überein, einander
zu achten und zu ehren und alle im Glauben zu lassen, dass ihre Vermählung
unter einem guten Stern stattgefunden hatte.
Am folgenden
Tag brachen sie in Richtung ihres zukünftigen Wohnsitzes auf. Marianes Eltern
reisten heim, aber ein Großteil der Delegation begleitete das junge Paar zum
Waldschlösschen.
Während der
Reise war Omar sehr um seine Gattin bemüht, damit der Schein gewahrt blieb. Barisch
hielt sich stets in ihrer Nähe auf, doch es ergab sich nie eine Gelegenheit für
ein paar Worte unter vier Augen.
Sie wurden gebührend
empfangen. Der König hatte Gesinde vorausgeschickt, auf das ihr Heim in
frischen Glanz erstrahlte. Die Räume von Omar und seinem Ehegespons befanden
sich im ersten Stock, genau wie die Kemenaten von Barisch und Marianes Zofe. Zu
seiner Erleichterung bekam er ein eigenes Schlafzimmer und zu seiner großen
Freude lag es neben dem von Barisch, der ihm fortan als Diener zur Verfügung
stand.
Es fand ein
großes Festmahl statt, nach dem sich Mariane bald zurückzog. Von ihm erwartete
man das Gleiche zu tun, um in Ehefreuden zu schwelgen. Also begab sich Omar
ebenfalls auf sein Zimmer und wanderte unruhig auf und ab. Würde Barisch sein
Versprechen halten?
Es dauerte
nicht lange, da klopfte es an seine Tür. Barisch trat ein, schloss hinter sich
ab, kam auf ihn zu, kniete nieder und beugte den Kopf.
„Ich gehöre
Euch“, flüsterte Barisch.
Im ersten
Moment wollte Omar widersprechen, doch dann gewann seine Sehnsucht Oberhand. Er
befahl: „Entkleide dich und leg dich aufs Bett.“
Barisch
gehorchte. Ohne Kleider war der Mann noch schöner, als in Omars kühnsten
Träumen. Lust regte sich, in Form einer Versteifung in seiner Körpermitte. Er
entledigte sich ebenfalls seiner Gewänder und gesellte sich zu Barisch, der ihm
mit unergründlicher Miene entgegensah.
„Bitte, seid
nicht allzu grob“, bat Barisch.
Und so
geschah es, dass Omar all seine aufgestaute Zärtlichkeit über dem Mann
ausschüttete. Schon bald erwiderte Barisch seine Küsse und streichelte ihn mit
der gleichen Intensität. Sie verschmolzen zu einer Einheit. Omar erlebte seinen
ersten Höhepunkt mit dem Mann, dem sein Herz gehörte. Dankbar für dieses
Geschenk, lag er hinterher im Barischs Armen. Durchs Fenster schien Mondlicht
herein und verlieh dem Raum einen überirdischen Schimmer.
„Habt Dank“,
flüsterte Barisch. „Ihr wart überaus großzügig, sowohl zu Mariane als auch zu
mir.“
„Ich will
nicht deinen Dank“, entgegnete Omar. „Ich wünsche mir viel mehr.“
Barischs
Augen begannen zu strahlen. „Ihr habt es doch schon. Bei Eurem Anblick ist mein
Herz entflammt.“
Und so bekam
Omar all seine Träume erfüllt. Barisch besuchte ihn jede Nacht und manchmal
gingen sie auf die Jagd, aber nicht, um Wild zu erlegen, sondern um in der
freien Natur ihrer Liebe zu frönen. Die schönsten Zeiten waren die, in denen
sie mehrere Tage in einer einsamen Jagdhütte verbrachten.
Mariane und
Romeo zeugten weitere Kinder, offiziell allesamt zukünftige Thronfolger.
Barisch und Omar versuchten das auch, doch mit weniger Erfolg. Und wenn sie
nicht gestorben sind, experimentieren sie noch immer.
ENDE